Eberhard-Karls-Universität Tübingen - Institut für Politikwissenschaft
Am Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen konstituierte sich Ende der 60er Jahre die Arbeitsgruppe Friedensforschung (AGFF). Durch die Einrichtung eines Lehrstuhls "Außenpolitik und Internationale Beziehungen; Friedens- und Konfliktforschung" im Jahr 1972 und einer ganzen Mitarbeiterstelle im Jahr 1981 wurde Friedensforschung zu einem integralen Bestandteil des Lehrangebots und ausgewiesenen Forschungsschwerpunkt am Institut für Politikwissenschaft.
Eine institutionelle Stärkung erfolgte im Jahr 1991 mit der Etablierung der Abteilung "Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung" am Institut für Politikwissenschaft, in der die Arbeitsgruppe Friedensforschung aufging. Sie wird von Professor Volker Rittberger, Ph.D. geleitet. Bisherige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Abteilung waren und sind Dr. Joachim Betz (bis 1981), Henning Boekle, Andreas Hasenclever, Dr. Hartwig Hummel (bis 1991), Dr. Gabriele Kittel (bis 1997), Dr. Wolfgang Kralewski (bis 1993), Peter Mayer, Dr. Thomas Nielebock, Dr. Frank Schimmelfennig, Dr. Gudrun Schwarzer (bis 1994), Prof. Dr. Klaus Dieter Wolf (bis 1991) und Prof. Dr. Michael Zürn (bis 1993). Zur Durchführung von Drittmittelprojekten konnten seit 1972 immer wieder wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzlich eingestellt werden. Zur Abteilung zählen darüber hinaus auch Doktoranden und Doktorandinnen sowie fortgeschrittene Studierende, die ihren Arbeitsschwerpunkt im Bereich der Internationalen Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung angesiedelt haben. Die Abteilung verfügt über eine Spezialbibliothek, ein Archiv sowie eine umfangreiche Dokumentensammlung mit Dokumenten staatlicher Stellen, internationaler Organisationen (v.a. der Vereinten Nationen) und nichtstaatlicher Organisationen. Im süddeutschen Raum stellt die Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung die einzige Universitätseinrichtung ihrer Art dar.
Im Verständnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung bildet die Friedens- und Konfliktforschung das Forschungsprogramm für die Analyse der internationalen Politik. Die soziale Wirklichkeit - nicht nur, aber insbesondere der internationalen Beziehungen - ist wesentlich konflikthaft. Da Konflikte jedoch stets die Möglichkeit der Gewaltanwendung in sich bergen, stellen sie eine permanente Herausforderung für eine Wissenschaft dar, die sich am Zielwert Frieden ausrichtet. Das Erkenntnisinteresse der Friedens- und Konfliktforschung besteht somit darin, die Bedingungen eines friedlichen Konfliktaustrags und einer gewaltfreien Konfliktlösung zu erforschen und damit eine friedenspolitische Praxis zu unterstützen.
In der internationalen Politik stellt sich das Gewaltproblem in besonderem Maße, weil im internationalen System ein legitimes Gewaltmonopol fehlt. Dies führt zum einen dazu, daß militärische Selbsthilfe weiterhin als mögliches Mittel des Konfliktaustrags betrachtet wird und im Bewußtsein dieser Möglichkeit Aufrüstungsprozesse rational und tolerierbar erscheinen, die mit der Produktion von Massenvernichtungswaffen einhergehen, welche die Existenz der Menschheit insgesamt gefährden können. Zum anderen erschwert die Abwesenheit eines legitimen Gewaltmonopols eine stabile internationale Kooperation. Auch daraus erwachsen angesichts globaler Gefährdungen wie Armut, Migration oder Umweltzerstörung Gefahren für den Frieden.
Die Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung hat es sich daher in erster Linie zur Aufgabe gemacht,
Damit soll zum einen ein Beitrag zur Beschreibung, Erklärung und konstruktiven Kritik von Gewaltpolitik und gewaltträchtiger Politik in den internationalen Beziehungen ebenso wie in binnengesellschaftlichen Zusammenhängen geleistet werden. Zum anderen soll die Bemühung um ein vertieftes Verständnis der Bedingungen und Methoden kooperativer Konfliktbearbeitung Perspektiven für eine andere, friedenskonformere Politik und deren Umsetzung eröffnen. Insoweit will die Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung über den akademischen Wissenschaftsbetrieb hinaus wirken. Primäre Aufgabe universitärer Forschung bleibt freilich auch in diesem Fach die Grundlagenforschung, die wissenschaftliche Ausbildung von Studentinnen und Studenten sowie die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Die AGFF bzw. Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung hat seit Anfang der 70er Jahre eine ganze Reihe von Projekten durchgeführt. Dabei konnten von Drittmittelgebern (v.a. Deutsche Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung [DGFK] und Deutsche Forschungsgemeinschaft [DFG] sowie Stiftung Volkswagenwerk) bisher Beihilfen in Höhe von mehreren Millionen DM eingeworben werden. Der inhaltliche Schwerpunkt der Arbeit lag in den letzten Jahren auf der Analyse internationaler Regime und internationaler Organisationen, vergleichender Außenpolitikanalyse unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Außenpolitik, Untersuchungen zu Problemen der Sicherheits- und Rüstungspolitik, Fragen der europäischen Sicherheit sowie der Weiterentwicklung von Theorien der internationalen Beziehungen mit besonderer Betonung der Bedingungen des Friedens.
Die Arbeit am Projekt "Deutsche Außenpolitik nach der Vereinigung. Realistische Prognosen auf dem Prüfstand" wurde im April 1997 aufgenommen. Gegenstand des Projekts ist die Analyse und theoriegeleitete Erklärung der Außenpolititk der Bundesrepublik Deutschland nach der Vereinigung. Es sucht die Frage zu beantworten, ob sich die deutsche Außenpolitik nach dem Ende des Ost-West-Konflikts und nach der Vereinigung gewandelt habe und ob die aus der realistischen Theorie der internationalen Beziehungen abgeleitete Prognose zutrifft, daß Deutschland eine stärker machtorientierte Politik betreibt. Zur Untersuchung dieser Fragen werden fünf Sachgebiete der deutschen Außenpolitik vor und nach der Zäsur von 1990 vergleichend untersucht:
Das komplette Forschungsdesign ist als Tübinger Arbeitspapier Nr. 28 erschienen und im Volltext abrufbar.
Seit Oktober 1986 stellt die Regime-Analyse einen durchgängigen Forschungsschwerpunkt dar. Die erste Projekteinheit zum Thema
"Die Bedeutung von internationalen Regimen als Institut der gewaltfreien Behandlung des Ost-West-Konflikts"
diente dem Ziel, die Möglichkeiten und Bedingungen regelgeleiteter, kooperativer Konfliktbearbeitung zu identifizieren. Das von der DFG im Rahmen ihres Schwerpunktprogramms "Institutionen und Methoden der friedlichen Behandlung internationaler Konflikte" geförderte Projekt wurde Ende 1992 abgeschlossen. Mit einem vergleichenden Ansatz sind neun Fallstudien zu Konflikten zwischen Ost und West und vier Fallstudien zu Konflikten zwischen westlichen Staaten angefertigt worden. Unter der Leitung von V. Rittberger haben M. Efinger, M. List, P. Mayer, M. Mendler, K.-U. Schrogl, G. Schwarzer und M. Zürn an diesem Projekt mitgearbeitet.
Seit Beginn des Jahres 1993 wird das Regimeprojekt - erneut gefördert von der DFG - mit einer neuen Zielsetzung fortgesetzt. Der Schwerpunkt der neuen Projekteinheit zum Thema
"Die Wirkungen internationaler Regime - Der Einfluß von Verteilungsleistungen auf die Robustheit von Konfliktregelungen"
liegt auf der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Stabilität und Verteilungsgerechtigkeit von Regimen. Projektmitarbeiter sind A. Hasenclever und P. Mayer. Darüber führte die Regimeforschung zur Veröffentlichung zweier Bücher über Ost-West-Regime sowie eines ausführlichen Review-Aufsatzes und zweier Monographien über den aktuellen Forschungsstand der Regimeanalyse und -theorie.
Seit 1996 ist die Abteilung an einem von der United Nations University auf fünf Jahre angelegten und geförderten Projekt zum Thema "The United Nations System in the 21st Century" beteiligt. Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt zu prüfen, welche Aufgaben den Vereinten Nationen in Zukunft angesichts der globalen Herausforderungen in den Bereichen Frieden und internationale Sicherheit, Entwicklung, Umwelt, Menschenwürde und globalem Regieren zukommen könnten. Zu diesem Zweck wurden fünf Forschungsgruppen zu den Themen Staat, Multinationale Konzerne, Regionale Abkommen, Internationale Organisationen und unter dem Stichwort "Global Citizenship" zu Nichtregierungsorganisationen (NRO) eingerichtet. Die Leitung der zuletzt genannten Arbeitsgruppe liegt bei V. Rittberger. Aufgabe der jeweiligen Arbeitsgruppen ist es, einen Forschungsprozeß darüber in Gang zu setzen, welche Rolle die Akteursgruppe in verschiedenen Politikfeldern in der Vergangenheit gespielt hat, wie sich diese Rolle analytisch erfassen läßt und welche Schlußfolgerungen daraus für die Zukunft und die Politik der Vereinten Nationen zu ziehen sind. Im ersten Jahr wurde eine Analyse der Tätigkeit von NROs im Politikfeld Sicherheit durchgeführt.
Zwischen 1991 und 1995 wurde in einem von der DFG geförderten Projekt "Die Politik von Industrienationen gegenüber der UNESCO (1978-1986)" untersucht. Ziel dieses Projekts war es, auf der Basis vergleichender Fallstudien die Faktoren zu ermitteln, die das Verhalten von Staaten in dem bisher von der Forschung weitgehend vernachlässigten Politikfeld der auswärtigen Kulturpolitik bestimmen. Am Beispiel der Politik der USA, Frankreichs, der Bundesrepublik Deutschland und - als Kontrollfall - der Sowjetunion in der von der Kontroverse über die Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung geprägten "UNESCO-Krise" wurden unterschiedliche Erklärungsansätze für die Außenpolitik von Industrieländern geprüft. Drei Fragenkomplexe standen im Mittelpunkt des Vergleichs: Ist Außenpolitik allein interessenbestimmt oder lassen sich länderspezifische Politikstile nachweisen? Ist Außenpolitik im wesentlichen strukturell determiniert oder haben die kognitiven Dispositionen der Akteure einen entscheidenden Einfluß? Wird das Verhalten von Staaten gegenüber internationalen Organisationen und Ordnungsproblemen in erster Linie von deren (Macht-)Position im internationalen System oder von unterschiedlichen Merkmale ihrer politischen und gesellschaftlichen Verfassung geprägt? Aus der vergleichenden Auswertung der Fallstudien hat sich ergeben, daß die unterschiedliche Politik der Industrieländer in der UNESCO-Krise am besten durch ihre unterschiedlichen Mediensysteme und die damit korrespondierenden medienpolitischen Ordnungsvorstellungen zu erklären sind. An diesem Projekt haben - unter Leitung von V. Rittberger - P. Billing, G. Kittel, F. Schimmelfennig, H.P. Schmitz und M. Urban mitgearbeitet.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Mitgliedern des politikwissenschaftlichen Instituts und Mitgliedern der juristischen sowie der geschichtswissenschaftlichen Fakultät zum Thema
"Geschichte und Theorie der Internationalen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert"
wurde zwischen 1989 und 1994 im Rahmen des baden-württembergischenLandesforschungsprogramms fest verankert. Der Akzent der interdisziplinären Zusammenarbeit lag in diesem Zeitraum auf dem Themenkomplex "Verfassung, Demokratie und Außenpolitik", in dessen Rahmen sich der Beitrag der Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung insbesondere auf die Frage nach den innerstaatlichen und systemischen Bedingungen der Zivilisierung der internationalen Beziehungen konzentriert. Das Lehrangebot beinhaltete sowohl interdisziplinäre Seminare als auch Ringvorlesungen zum oben genannten Schwerpunkt.
Daneben wurde eine umfassende zweisprachige Dokumentensammlung zum Thema
"Das System der Vereinten Nationen und seine Vorläufer. Satzungen und Rechtsakte"
erstellt, die insgesamt über 200 Dokumente der Vereinten Nationen, ihrer Sonderorganisationen, des Völkerbunds und ihrer Vorläufer im 19. Jahrhundert vereint. Die Publikation der drei (Teil-)Bände wurde vom Auswärtigen Amt gefördert.
Einen durchgängigen Forschungsschwerpunkt seit 1974 stellt das Thema Abrüstung dar. Zunächst wurde 1974/75 im Rahmen des von der DGFK geförderten und von D.S. Lutz und V. Rittberger bearbeiteten Projekts "Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer Abrüstungspolitik nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland" der Frage nachgegangen, ob das Grundgesetz eine Politik der Friedenssicherung durch militärische Landesverteidigung vorschreibe oder ob es umgekehrt der militärischen Sicherheitspolitik sogar gewisse Grenzen ziehe. Im Ergebnis stellt die Studie sehr deutlich die Friedens- und Abrüstungsfreundlichkeit des Grundgesetzes heraus.
Den institutionellen Bedingungen von Abrüstung innerhalb des politisch-administrativen Systems in der Bundesrepublik Deutschland widmete sich die überregionale Arbeitsgruppe "Abrüstungsplanung" im Rahmen des Projektes "Möglichkeiten der Verstärkung der abrüstungspolitischen Planungskapazitäten in der Bundesrepublik Deutschland" 1978 bis 1980. Dabei wurden die Aufgaben, Probleme und Perspektiven der westdeutschen Abrüstungsplanung analysiert und es wurde versucht, Vorschläge für eine gegenstands- und zieladäquate Reform auszuarbeiten. Zu der Arbeitsgruppe Abrüstungsplanung gehörten V. Rittberger als Leiter, E. Müller (AGFF; jetzt IFSH) als Projektbearbeiter, U. Albrecht (FU Berlin), H.G. Brauch (Universität Heidelberg), W.-D. Eberwein (WZB Berlin) und E. Rosenkranz (Bonn/Kiel).
Dem Problem der Abrüstung widmete sich auch das von der DGFK und der DFG zwischen 1983 und 1985 finanzierte Projekt "Möglichkeiten und Grenzen internationaler Abrüstungs- und Rüstungskontrollverwaltung am Beispiel der Organisation zum Verbot von Kernwaffen in Lateinamerika" . Dabei stand zweierlei im Mittelpunkt des Interesses: die Wirksamkeit einer Rüstungskontrollagentur und die Entstehungsbedingungen und Reichweite der atomwaffenfreien Zone in Lateinamerika. Das Projekt, das von H. Mirek bearbeitet wurde, fügte sich außerdem in den seit 1981 bestehenden Arbeitsschwerpunkt "Alternative Sicherheitskonzepte, inbesondere atomwaffenfreie Zonen" ein.
Projekte, die sich eher auf das Praxisfeld der schulischen, außerschulischen und universitären Friedenserziehung konzentrierten, wurden Anfang der 70er und Anfang der 80er Jahre in Angriff genommen. 1983/84 wurde an dem Projekt "Entwicklung und Erprobung eines Hochschul-Curriculums zur Friedens- und Konfliktforschung" gearbeitet. Sein Ziel war es, ein Curriculum über Grundfragen der Friedensforschung/-sicherung für die universitäre Erstausbildung und Fortbildung zu entwickeln. Projektbearbeiter waren M. Mendler und W. Schwegler-Rohmeis.
Zwischen 1972 und 1977 wurden von der DGFK die Projekte "Funktion von Unterrichtsmodellen für die Friedenserziehung" und "Friedenspädagogische Handlungsforschung" finanziert. Sie stellten auf die Förderung des Friedens auf der Ebene von Vermittlungs- und Erziehungsprozessen im schulischen und außerschulischen Bereich ab. Ergebnisse dieser Projekte sind in der Reihe "Tübinger Beiträge zur Friedensforschung und Friedenserziehung" (Waldkircher Verlagsgesellschaft) dokumentiert.
Um diese auf die friedenspädagogische Praxis zielenden Arbeiten fortzuführen, wurde Ende 1976 der "Verein für Friedenspädagogik Tübingen e.V." gegründet, mit dem die AGFF bzw. Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung eng kooperiert. Mitarbeiter des Vereins für Friedenspädagogik bieten regelmäßig Lehrveranstaltungen zu den gesellschaftlichen Bedingungen friedenspolitischen Handelns an.
Durch die Ausstattung mit einer wissenschaftlichen Mitarbeiterstelle war es der Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung neben der Einwerbung von Drittmitteln auch möglich, eine Reihe von Eigenprojekten zu initiieren und durchzuführen.
Ein zentraler Forschungsbereich stellt derzeit die Analyse internationaler Organisationen dar. Neben der Geschichte und Theorie der internationalen Organisationen interessierten vor allem die Politikentwicklungsprozesse in internationalen Organisationen sowie deren Aktivitäten auf verschiedenen Politikfeldern. Besondere Aufmerksamkeit kam dabei den Vereinten Nationen zu. Geprüft wurde, welchen Beitrag die Vereinten Nationen zur Zivilisierung der internationalen Beziehungen werden leisten können. In diesem Zusammenhang wurden auch die wichtigsten Reformvorschläge, die zum 50-jährigen Bestehen der Weltorganisation gemacht wurden, aufgegriffen und kritisch überprüft. Diese Themen fanden ihren Niederschlag in mehreren Zeitschriften- und zwei Buchpublikationen. Des weiteren wird im Rahmen dieses Eigenprojekts auch die Frage der Demokratisierung von internationalen Organisationen systematisch angegangen. Ausgangspunkt dieser Problemstellung ist das demokratische Defizit und die daraus resultierende geringe Legitimität, die internationalen Organisationen eigen ist.
Seit Ende der 80er Jahre konzentrierte sich die Forschungsarbeit des weiteren auf die Identifikation derjenigen innerstaatlichen Bedingungen, die einem gewaltfreien Außenverhalten von Staaten förderlich sind. Insbesondere den Ursachen des permanenten Gewaltverzichts zwischen Staaten mit demokratischer Verfassung kommt dabei verstärkte Aufmerksamkeit zu. Damit wird die mit dem Band "Theorien der Internationalen Beziehungen" angestoßene Diskussion über theoriegeleitete Erklärungsversuche internationaler Politik und der Außenpolitik von Staaten weiterverfolgt. Die besondere Herausforderung für die Forschung besteht hier darin, Modelle zu entwickeln, die Außenpolitik und internationale Politik verknüpfen und es erlauben, ausgehend von den Merkmalen von Akteuren im internationalen System Aussagen über die Entwicklung der internationalen Politik zu machen. Erste Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten sind in Zeitschriftenaufsätzen und Beiträgen zu Sammelbänden dokumentiert.
Die AGFF hat - ausgehend von ihren Forschungsschwerpunkten - mehrere Fachtagungen in Tübingen durchgeführt. Zur Teilnahme an den parallelen Symposien "Chancen und Probleme einer Reform der Abrüstungsplanung in der Bundesrepublik" und "Sicherheit, Abrüstung und Zukunftserwartungen" (beide 1980) konnten Wissenschaftler und Praktiker aus dem In- und Ausland (Sowjetunion, USA und Frankreich) gewonnen werden.
Die zweite Fachtagung zur Friedensforschung, die 1984 stattfand, war demThema "Kriegsangst und Kriegsgefahr als Problem der Friedensbewegung: Gesellschaftliche Erfahrungen und ihre persönliche Verarbeitung" gewidmet. Ziel der Tagung war es, den kritischen Dialog zwischen Friedensforschung und Friedensbewegung im Kontext der gesellschaftlichen Diskussion über die inhärenten Gefahren der damaligen Sicherheitspolitik und die in der Bevölkerung ausgelösten Ängste zu fördern.
Zwei Arbeitstagungen zu Problemen und Perspektiven der europäischen Sicherheit wurden zusammen mit der Gesellschaft für Humanwissenschaften (Erlangen) und dem Österreichischen Institut für Friedensforschung und Friedenserziehung 1984 und 1985 auf Burg Schlaining (Österreich) veranstaltet. Die Ergebnisse dieser Tagungen, an denen Wissenschaftler aus den Disziplinen Politikwissenschaft, Ökonomie, Psychologie und Philosophie sowie außen- und sicherheitspolitische Experten aus mehreren europäischen Staaten teilnahmen, sind in dem Band "Europäische Sicherheit" (hrsg. v. W.P. Pahr, V. Rittberger und H. Werbik) dokumentiert.
Eine weitere Tagung wurde im Sommer 1989 zum Thema "Theorien der Internationalen Beziehungen" durchgeführt. Dabei wurde der Versuch unternommen, den Stand der Theorieentwicklung auf diesem Gebiet im deutschsprachigen Raum kritisch aufzuarbeiten. An der Tagung nahmen auch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus den europäischen Nachbarländern teil. Die Beiträge wurden als Sonderheft 21 der Politischen Vierteljahresschrift (PVS) im Jahr 1990 veröffentlicht.
Im Rahmen des Drittmittelprojektes über "Ost-West-Regime" (vgl. oben) wurde im Juli 1991 im Schloß Hohentübingen dieinternationale Fachtagung "The Study of Regimes in International Relations. State of the Art and Perspectives" veranstaltet. Ein Ziel der Tagung war es, Vertreter und Vertreterinnen der europäischen und amerikanischen Regimeanalyse stärker miteinander ins Gespräch zu bringen. Die Beiträge der Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden in dem Sammelband "Regime Theory and International Relations" (hrsg. v. V. Rittberger unter Mitarbeit von P. Mayer) dokumentiert.
Der Entwicklung in Europa nach dem Ende des Ost-West-Konflikts war ein Symposium im Sommer 1993 gewidmet, das in Zusammenarbeit mit derFriedrich-Ebert-Stiftung und dem Verein für Friedenspädagogik Tübingen veranstaltet und vom Land Baden-Württemberg gefördert wurde. Aus der Perspektive der Disziplinen Internationale Beziehungen, Politische Theorie und Friedenspädagogik sollten die neuen friedenspolitischen Herausforderungen in Europa erörtert sowie die Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten für eine effektive Friedenspolitik abgeschätzt werden.
Im Juni 1995 veranstaltete die Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung anläßlich des 50. Gründungsjahres der Vereinten Nationen (VN) ein Internationales Symposium. Die Tagung verfolgte vor allem zwei Ziele: Zum einen wurde die VN-Thematik im Rahmen verschiedener Forschungsansätze zur Internationalisierung des Regierens diskutiert. Zum anderen standen Aktivitäten der VN in den Problemfeldern Friedenserhaltung und Rüstungskontrolle, Entwicklung und Umweltschutz sowie Menschenrechts- und Minderheitenschutz im Mittelpunkt.
Aus Anlaß des 25jährigen Bestehens der Berghof-Stiftung für Konfliktforschung und des 20jährigen Bestehens des Vereins für Friedenspädagogik Tübingen, veranstaltete die Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung 1996 in Tübingen gemeinsam mit den beiden genannten Organisationen ein Symposium zum Thema "Konstruktive Konfliktbearbeitung". Es diente zunächst der kritischen Aufarbeitung des Forschungsstandes. Gleichzeitig sollte theoretisches Wissen für die praktische Friedensarbeit durch staatliche wie nicht-staatliche Akteure aufbereitet werden. In diesem Zusammenhang wurden mit Praktikern Konzepte der föderalistischen Konfliktbewältigung, die Frage nach friedensstiftenden Einflußmöglichkeiten von Drittparteien, der Aufbau eines nationalen Friedensnetzwerkes und die Aufgaben und Möglicheiten einer konfliktorientierten Friedenspädagogik diskutiert. (Die wichtigsten Grundsatzreferate der Tagung werden in der Zeitschrift "Die Friedens-Warte" Nr. 4/1996 publiziert).
Das Lehrangebot der Abteilung umfaßt für Grund- und Hauptstudium Vorlesungen und Seminarveranstaltungen. Regelmäßig angeboten werden folgende Themen: "Einführung in die internationalen Beziehungen", "Theoriegeschichte der Wissenschaft von den internationalen Beziehungen", "Methodenprobleme der Wissenschaft von den Internationalen Beziehungen", "Deutschland in der internationalen Politik", "Internationale Politik in Europa", "Politik in internationalen Organisationen", "Kriegsursachen und Friedensbedingungen", "Vergleichende Außenpolitikanalyse" sowie "Internationale Politikfeldanalysen".
Ein neuer Magisterstudiengang kann seit dem Wintersemester 1995/96 belegt werden: "Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Beziehungen" sieht im Hauptstudium eine Konzentration auf den Bereich der Internationalen Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung mit entsprechenden Seminaren und Vorlesungen vor. Mit der Einführung dieses Studienschwerpunktes soll der zunehmenden Ausdifferenzierung des Faches Politikwissenschaft Rechnung getragen sowie der Anschluß an die Praxis in anderen Ländern gefunden werden. Der neue Magisterstudiengang kann nur als Hauptfach studiert werden.
Im Rahmen des von der EG aufgelegten ERASMUS-Programms wurde im Sommersemester 1989 für Studierende aus Groningen, Oxford und Tübingen ein einwöchiges Kompaktseminar zum Thema "Peace and Security in Europe: Different National and Intellectual Approaches" durchgeführt. Als Lehrende nahmen Kollegen von den Universitäten Oxford, Groningen und Leuven teil. Im Sommer 1991 konnte an der Universität Leuven (Belgien) ein Intensivseminar zu Fragen der Europäischen Sicherheit stattfinden. Veränderungendes internationalen Systems der vergangenen Jahre und deren Folgen für die Kooperation von Staaten war im Juni 1995 Thema eines weiteren Kompaktseminars in Tübingen, an dem Studierende und Lehrende aus Belgien, Finnland, Frankeich, den Niederlanden, der Schweiz, den USA und Deutschland teilnahmen.
Seit Oktober 1995 wird außerdem im Rahmen des SOCRATES-Programms der Europäischen Union mit den Universitäten Groningen, Leuven, Genf, Helsinki und dem Institut d'Etudes Politiques Paris ein Curriculum für das Hauptstudium zum Thema "Europäische Sicherheit" entwickelt.
Gemeinsam mit dem Internationalen Zentrum der Universität Tübingen führte die Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung vom 14. - 27. Juli 1996 ein Intensivseminar "Institutions in Global Politics" durch. An dem Seminar, das vom Bundesministerium für Erziehung, Wissenschaft, Forschung und Technologie mitfinanziert wurde, nahmen 19 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Polen, Rumänien, Rußland und Ungarn teil. Es diente dem Erfahrungs- und Wissensaustausch und war auf eine Harmonisierung der Lehre im Bereich "Internationale Institutionen" ausgerichtet.
Die Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung steht in einem ständigen wissenschaftlichen Austausch- und Kooperationsverhältnis mit dem Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an derUniversität Hamburg, der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (Frankfurt), dem Institut für Allgemeine Überseeforschung, der Arbeitsstelle Transatlantische Außen- und Sicherheitspolitik der FU Berlin, dem Verein für Friedenspädagogik Tübingen sowie mit dem Department of Peace and Conflict Research der Universität Uppsala (Schweden), dem Dartmouth College (USA), dem Center for International Affairs der Harvard Universität (USA), dem Institut für Friedensforschung Kopenhagen (Dänemark), dem Institut d'Etudes Politiques de Paris (Frankreich) sowie dem Moskauer Staatsinstitut für Internationale Beziehungen (Rußland).
Im Rahmen von bilateralen Austausch-Programmen des Instituts (u.a. SOCRATES/ ERASMUS, DAAD-IAS) findet ein regelmäßiger Austausch von Studierenden mit dem Department für Politikwissenschaft der Universität Groningen (Niederlande), den Abteilungen für Internationale Beziehungen der Katholischen Universität Leuven (Belgien), der Universität Genf (Schweiz), der Universität Helsinki (Finnland), dem Institut d'Etudes Politiques de Paris (Frankreich), dem Moskauer Staatsinstitut für Internationale Beziehungen und der University of Minnesota (Minneapolis) statt. Weitere Austauschbeziehungen bestehen zu den Universitäten von LiΦge (Belgien), Strasbourg Frankreich), Fribourg (Schweiz), Perugia (Italien) und Leicester (Großbritannien).
Die Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung verfügt über ein öffentlich zugängliches Archiv, das sowohl eine Spezialbibliothek, schwerpunktmäßig mit sog. "grauer Literatur", als auch eine umfangreiche Dokumentensammlung umfaßt. Auskunftssuchende werden von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Abteilung beraten.
Einen Beitrag zur friedens- und sicherheitspolitischen Diskussion leistet die Abteilung durch die Vermittlung und Bereitstellung von Referenten und Referentinnen. Über den wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung trägt die Abteilung darüber hinaus zur Diffusion wissenschaftlicher Ergebnisse in den Politikprozeß bei. Mitglieder der Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung sind häufig nachgefragte Experten und Expertinnen bei verschiedenen Trägern der Erwachsenenbildung und der Lehreraus- und -fortbildung, bei Volkshochschulen, Landeszentralen für politische Bildung, Oberschulämtern, Studienseminaren und Akademien sowie in Schulen. Darüber hinaus werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung auch von gesellschaftlichen Organisationen wie z.B. dem Deutschen Gewerkschaftsbund und seinen Einzelgewerkschaften, kirchlichen Einrichtungen und politischen Parteien als Referentinnen und Referenten angefordert. Sie haben außerdem wissenschaftliche und Fortbildungstagungen organisiert und geleitet.
Seit 1985 gibt die AGFF bzw. Abteilung Internationale Beziehungen/Friedens- und Konfliktforschung die Reihe "Tübinger Arbeitspapiere zur Internationalen Politik und Friedensforschung" zur Dokumentation laufender Forschungsarbeiten heraus. Dabei werden vor allem auch aktuelle Diskussionsbeiträge abgedruckt, um möglichst schnell und unkompliziert in laufende wissenschaftliche Kontroversen eingreifen zu können. Sie finden aber vielfach auch über den engeren Bereich der Wissenschaft hinaus Interesse und werden über den Buchhandel vertrieben.
Einige der neueren Tübinger Arbeitspapiere sind über diesen Server im Volltext abrufbar. Näheres dazu imVerzeichnis der bisher erschienenen "Tübinger Arbeitspapiere zur Internationalen Politik und Friedensforschung"
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